Erfahrungsberichte

Erfahrungsberichte ehrenamtlicher Trauerbegleitung

Seit zwei Jahren gibt es ein Angebot der Hospiz, an einem Sonntag im Monat ein Frühstück für Menschen anzubieten, die ihren Partner verloren haben. Hintergrund ist , auch aus eigenem Erleben, die Tatsache, dass der Sonntag mit dem Partner verbracht wird,  und man sehr das Gefühl des Alleinseins hat.  In der Woche fällt es nicht so auf: die Geschäfte sind geöffnet, es ist Leben auf der Straße und Menschen gehen auch alleine Einkaufen. Am Sonntag ist alles anders: kein Telefon klingelt, kein Kontakt, außer ich mache ihn selber.  Im Anfang der Trauer ist es ganz schwierig, selbst den Kontakt herzustellen.

Lange Zeit nach dem Einführungsseminar war ich immer noch unsicher, ob ich überhaupt sterbende Menschen begleiten kann. Meine Gefühle und mein Selbstvertrauen fuhren Achterbahn: mal war ich sicher, ich kann´s; dann gleich wieder: nein, das kann ich gar nicht…

Lange Zeit nach dem Einführungsseminar war ich immer noch unsicher, ob ich überhaupt sterbende Menschen begleiten kann. Meine Gefühle und mein Selbstvertrauen fuhren Achterbahn: mal war ich sicher, ich kann´s; dann gleich wieder: nein, das kann ich gar nicht…

Es war meine erste Begleitung. Ein Mensch, der aufopfernd und voll Liebe seinen Partner zu Hause gepflegt hatte. Bis zur Erschöpfung. Es blieb keine Zeit für die Wahrnehmung eigener Befindlichkeiten. Nach dem Tod des Partners kam die eigene Erkrankung. So begann die  Begleitung.

Und es passte alles: wir fanden heraus, dass es Orte gab, in denen wir beide zu unterschiedlichen Zeiten gelebt und gearbeitet hatten. Es gab Geschichten, die mich sehr an meinen Vater erinnerten, Lebensformen und Rituale. Bräuche, die wir beide schätzten. Wir wurden vertraut miteinander.

Es war Spätsommer. Pflaumenzeit. Und da war der Heißhunger auf Pflaumenkuchen plötzlich da, verbunden mit Erinnerungen aus dem Leben. Ich kaufte Pflaumenkuchen mit viel Sahne. Das ganze Zimmer schien erfüllt vom Geruch der Bäckerei. Die Wahrnehmung des Duftes war grenzenlos genussvoll, der Kuchen zerging auf der Zunge und die Augen strahlten voller Glück.

Ein paar Tage wiederholten wir dieses Ritual, die Kuchenportionen wurden immer kleiner aber nicht weniger genussvoll verzehrt.

Bis eines Tages ein Flackern in den Augen auftrat und der Wunsch nach Matjes aufkam. Noch einmal einen Matjes essen können, noch einmal diesen Geschmack nach Salz und Meer auf der Zunge haben dürfen… Ich eilte sofort zum nächsten Fischhändler und kaufte Matjes. Nur einen Bissen schaffte er, aber der Genuss war wieder unendlich und mit tiefer Dankbarkeit drückte er meine Hand….

Ich war erstaunt, wie einfach es sein kann, Menschen glücklich zu machen.

Vor ein paar Jahren begleitete ich eine alte Dame, die schwer krebserkrankt war. Sie lebte allein in ihrer Wohnung und hatte keine Angehörigen. Hilfe hatte sie von einer Betreuerin, die sich täglich rührend um sie kümmerte. Durch Medikamente war sie fast schmerzfrei und konnte sich noch recht gut bewegen. Bei meinen Besuchen sprachen wir viel über ihr Leben und beim Durchblätter ihrer Fotoalben kam die Erinnerung an ihre wunderbaren Auslandsreisen wieder vor ihre Augen. Sie  und ihre Mann hatten Boxer und als ich von meinem Hund Dark erzählte, bat sie mich, ihn einmal mitzubringen. Oh je, mein Hund ist sehr groß und kräftig und war zu der Zeit 3 Jahre alt. Dieser temperamentvolle Hund in der kleinen, engen Wohnung. Vielleicht würde er alles umwerfen.

Nach einem Gespräch mit unserer Koordinatorin und ihrem Hinweis, dass es vielleicht sehr schnell zu spät sein könnte, habe ich nach 14 Tagen meinen Mut zusammengenommen und uns angekündigt. Die alte Dame hatte sich sehr darauf gefreut und alle Spielzeuge ihrer Hunde raus gekramt und Leckerlis besorgen lassen.  Noch einmal einen großen Hund um sich zu haben und ihn zu streicheln hat ihr gutgetan. Der Hund war ganz ruhig, hat nichts umgeworfen und war ganz lieb. Alle waren glücklich.

Drei Wochen später habe ich sie bis zu ihrem Tod begleitet.

Hospizarbeit ist für mich:  für kranke Menschen und ihre Angehörigen in der letzten Lebensphase da zu sein und wenn möglich, ein wenig Licht in ihre schwere Zeit zu bringen.  

Eigentlich war dieser erste Einsatz im Jahr 1991 streng genommen noch keine “Hospiz- Aktion“, denn eine etablierte Hospizgruppe gab es damals noch nicht. – 1988 fand erstmals eine Kontaktaufnahme mit der “Hospizstation“ an der Uni-Klinik in Köln statt.

1989/1990 kam der damalige Leiter der Kölner “Hospizstation“, Herr Pater Zielinski, mehrfach nach Nordhorn, um in einem Kreis von hilfsbereiten Mitbürgern, Krankenschwestern, Ärzten und Theologen zu überlegen, ob und eventuell wie  sich auch in Nordhorn ein ähnliches Projekt verwirklichen lassen könnte.

In all diese Überlegungen hinein kam dann im Januar 1991 der erste akute Hilferuf:  Eine etwa 64-jährige Patientin war im Jahr zuvor wegen eines bösartigen Dickdarmtumors operiert und mit einem “seitlichen Ausgang“ versehen worden.  Zunächst bat sie die Stomatherapeutin des Marienkrankenhauses, Schwester Monika, um Unterstützung und Beratung bei der Versorgung des Anus praeter. – Wie auf Grund des Operationsbefundes mit zahlreichen Metastasen zu erwarten war, verschlechterte sich der Allgemeinzustand kontinuierlich, so dass eigentlich zur weiteren Versorgung und Betreuung eine erneute Einweisung ins Krankenhaus erforderlich wurde.

Die Patientin selbst war sich ihres Zustandes voll bewusst. Es war ihr klar, dass keine medizinische Heilung mehr möglich war und dass ihr Leben zu Ende ging. Sie wollte deshalb unter keinen Umständen wieder ins Krankenhaus. Mit der Pflege zu Haus waren aber trotz aller Bemühungen bei der zunehmenden Verschlechterung des Allgemeinzustandes die

Angehörigen überfordert. Darum wandte sich der Ehemann hilfesuchend ans Krankenhaus mit der Bitte, er hätte von den Bemühungen um die Gründung einer Hospizhilfe gehört und hoffe nun, dort Hilfe zu bekommen. Es wurde daraufhin improvisiert und eine Gruppe von vier bereitwilligen Helferinnen zusammengestellt, die sich in der Begleitung der sterbenden Patientin abwechselten. Glücklicherweise war auch der Hausarzt bereit, bei Bedarf jederzeit einzuspringen und zu helfen. Erleichtert wurde die ganze Situation sowohl der Sterbenden als auch der Angehörigen und der Helferinnen durch die einfühlsame seelsorgliche Betreuung eines reformierten Pastors.

So konnte Frau H. zu Hause in ihrer gewohnten Umgebung und im Kreise ihrer Angehörigen und der ihr vertrauten Menschen in Frieden ihr Leben beenden.

Die Teilnahme an der Trauerfeier und die Begleitung der Verstorbenen auf ihrem letzten Weg waren der Beginn einer “Trauerarbeit“, die sich inzwischen zu einer wesentlichen weiteren Aufgabe der Hospizarbeit entwickelt hat.

Sterbende und Trauernde begleiten? – Neuer Einführungskurs der Hospizhilfe

Seit über 26 Jahren begleiten Ehrenamtliche der Hospizhilfe Grafschaft Bentheim Menschen und deren Angehörige in ihrer letzten Lebensphase. Zudem werden Trauergruppen für Erwachsene und Kinder angeboten. Über 100 Ehrenamtliche sind in der Begleitung Sterbender tätig. Die Engagierten werden in einer Fortbildung auf die anspruchsvolle Aufgabe an der Seite der Sterbenden vorbereitet.

Seit sieben Jahren ist Heinz Bardenhorst aus Nordhorn dabei. Im Interview (vom 02.05.2018) berichtet er:

Heinz, wie ist deine Verbindung zur Hospizhilfe entstanden?

Als meine Großeltern, die bei uns im Haus lebten, alt wurden, bekam ich Angst vor deren Tod. Daraufhin las ich mehrere Bücher der Ärztin Elisabeth Kübler Ross, die Interviews mit Sterbenden führte. So kam es zum ersten Kontakt mit dem Begriff „Hospiz“. Ich hegte die Erwartung, dort mehr über das Sterben zu erfahren. Doch dann legte ich das Thema für die nächsten 15-20 Jahre „zu den Akten“ – bis ich 2010 die Einladung zum Einführungsseminar der Hospizhilfe las und dachte: „So, jetzt!“

Du hast dann am Einführungsseminar für Ehrenamtliche teilgenommen. Konnte dich der Kursus auf die unterschiedlichen Begleitungen vorbereiten?

Die theoretischen Einheiten vermittelten eine Grundkenntnis über viele Themen, wie z.B. Schmerztherapie, Bestattungskultur, Kommunikation usw.. Die praktische Erfahrung kam dann jedoch im Laufe der kommenden Jahre; denn jede Begleitung ist individuell. Nach dem Einführungskurs konnte ich mit einem guten Gefühl in meine erste Sterbebegleitung starten.

Ist das Fortbildungsangebot ausreichend?

Das Angebot ist vielfältig und immer wieder ansprechend. Besonders wichtig sind mir die Angebote zum Thema „Selbstsorge“. Aus diesen Weiterbildungen kann ich auch persönlich viel mitnehmen.

Ist dir eine spezielle Begleitung in Erinnerung geblieben?

Ja, natürlich… Meine erste Begleitung hat es mir richtig einfach gemacht! Noch heute denke ich manchmal mit einem Lächeln daran zurück. Von Anfang an stimmte die Chemie zwischen uns. Der Betroffene war sehr positiv und voller Zuversicht, das hat er seine Mitmenschen auch spüren lassen. Besonders beeindruckend war, dass er selbst in seinen letzten Lebensstunden noch  hoffnungsvoll war. Das war eine sehr positive Begleitung.

Was nimmst du aus den Begleitungen mit?

Das ist sehr situationsabhängig… Ich übertrage Dinge oft ins Private und weiß dann: Was möchte ich selber für meine Angehörigen und was nicht? Die Begleitungen zeigen mir, wie wichtig es ist, im Vorfeld zu klären, wie ich selber einmal betreut werden möchte. Dazu kommt, dass sich die eigenen Problemchen oft relativieren.

Du machst Sterbebegleitung, Trauerbegleitung und fährst Senioren zum Friedhof. Was ist für dich am interessantesten?

Für mich sind Trauergespräche mit Männern sehr spannend. In verschiedenen Gruppen habe ich viel über Männer gelernt: Wie ticken Männer, wie reagieren Männer…? – und dieses Wissen und diese Erfahrungen  kann ich in den Gesprächen mit einfließen lassen. Die Fahrten zum Friedhof werden oft von Frauen in Anspruch genommen, diese Begleitungen stellen eine besondere Erfahrung dar.

Was möchtest du Menschen mitgeben, die überlegen, sich bei der Hospizhilfe ehrenamtlich miteinzubringen?

MUT! Vor allem bei Männern! Männer können genauso gut, vielleicht wohl anders als Frauen, aber genauso gut Sterbende und Trauernde begleiten!

Alle, die sich vorstellen können, an einem Einführungsseminar teilzunehmen und eventuell Teil eines engagierten Teams zu werden, lädt die Grafschafter Hospizhilfe Männer wie Frauen dazu ein,  sich bei ihrer Geschäftsstelle in der Neuenhauser Straße zu melden.

Der Kurs verpflichtet nicht zur aktiven Mitarbeit. Nach Abschluss des Seminars wird gemeinsam überlegt, ob und in welcher Weise man sich engagieren möchte.